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Von Plattenbauten und anderen Stapeln / From prefabricated buildings and other piles

07.05.2015 Usbekistan / Taschkent / N41°19’31.2“ E069°15’38.6“

 

Ein Plattenbau mit blauen Streifen schaut am Morgen zu uns in den Leo herein. Er steht in direkter Nachbarschaft zu uns, ragt weit in den Himmel und zeigt ganz ungeniert all seine Neugier. Die Menschen, die in ihm wohnen sind es auch und schauen verwundert, was für ein Gefährt da vor ihrem Haus die Nähe sucht. So etwas gab es hier noch nie. Doch als die Polizisten kommen und nachfragen, wer wir sind, bekommen sie zur Antwort, dass alles seine Richtigkeit. Wir scheinen aufgenommen zu sein, in die Gemeinde des Hinterhofes, zwischen Fußballplatz, Gas- und Wasserleitungen.

Unser Frühstück bereitet Saules Mutter zu. Dicken Haferbrei gibt es. Den kenne ich noch von meiner eigenen Oma. Sie hat ihn mir auf den Tisch gestellt, wenn ich in den Ferien zu ihr kam. So sitze ich essend und erinnere dieser fernen Tage. Gestärkt machen wir uns auf, um per Fuß einen ersten Eindruck von Taschkent einzufangen. Die Distanzen sind groß, die Wege lang. Also dann doch lieber den Arm leicht nach unten ausgestreckt. Das Zeichen hier für ein Taxi. Keine Minute dauert es und wir steigen ein. „Taxifahrer“ ist hier quasi jeder. Warum eine Strecke allein zurücklegen, wenn man doch jemanden für ein paar „Sum“ mitnehmen kann? Ein gängiges und funktionierendes System.

Dann raus in die Enge und das Gedränge des Basars. Die Geschäftigkeit und das Treiben sind ähnlich dem in der Türkei oder in Iran. Anders ist, dass die Verkäufer geduldig auf ihre Kundschaft warten und nicht so fordern sind. Ich finde es angenehm und fast entspannend, auf diese Weise von Stand zu Stand zu gehen. Sten als passionierter Brotbäcker probiert sich aus in der Backstube. Er will den Teig ebenso mit einem geschickten Schwung an die Innenseite des Ofens schlagen, wie es die Männer hier tun. Haltungsnote 10, doch abgesenkte Haare auf dem Kopf, sind sein Ergebnis. Es ist wahnsinnig heiß in den Öfen und man muss sich für einen kurzen Augenblick ziemlich tief in sein Inneres beugen, um den Teig zu platzieren. Wir zollen den Bäckern unseren Respekt, die bei der Wärme, die schon im Außen herrscht, Tag für Tag der Hitze der Öfen ausgesetzt sind. Zweimal pro Minute nähern sie sich der Feuerhöhle. Überall stehen ausgediente Kinderwagen, ohne Kinder darin, herum. Sie dienen als Transportkarren, für die frischen Brote. Warum eigentlich nicht. Pragmatismus scheint hier generell an der Tagesordnung zu sein. Es wird nicht lange „gefackelt“, sondern einfach gemacht. Und „gemacht“ wird an allen Ecken. Heerscharen an Straßenkehrern, oder Reparaturbrigaden sind pausenlos beschäftigt. Löcher zu stopfen und auszubessern gibt es viele. Und so sind alle in Bewegung. Mittags treffen wir spontan Sergey Danilov. Er hat es sich zur Aufgabe gestellt die usbekische Küche bekannter zu machen und sammelt somit im ganzen Land besondere Rezepte und Zubereitungsarten. Von uns möchte er wissen, was wir als Ausländer an den hiesigen Speisen mögen, um auf diese Weise den Geschmack der Besucher zu verstehen. Wir probieren vom usbekischen „Plov“ und sind begeistert. Der Reis ist aldente und zu den Möhren und Fleisch gesellen sich Rosinen, die dem Ganzen eine süßliche Note verleihen. In großen Gruppen sitzen die Leute hier um eine Platte „Plov“ herum und bedienen sich. Heute ist Donnerstag. Wie uns Sergey erzählt DER Tag, um Plov zu essen. Früher, laut seiner Erzählung, das Zeichen der Frau, dass sie an diesem Abend bereit für ihren Mann wäre. Ob die Männer um uns herum deshalb so viel davon essen? Ich weiß es nicht und lasse den Gedanken einfach stehen. Am Nachmittag nehmen wir eine Kostprobe vom modernen Taschkent. 1966 gab es ein schweres Erdbeben, in dessen Folge die Stadt fast gänzlich neu aufgebaut werden musste. So ist wenig Altbausubstanz zurück geblieben. Dafür gibt es umso mehr Bauten und Plätze aus Sowjetzeiten. Großzügig, weitläufig und mit einem Hang zum Monumentalen begegnet uns Taschkent. Abends wird gekocht. Gemeinsam mit Mannat, der Großmutter, Saule, der Mutter, Dariya und Zara, ihren beiden Töchtern, Laure, der Tante und Gledi dem Pudel machen wir uns daran „Hanum“ und „Manti“ zuzubereiten. Zwei Varianten gefüllter Teigtaschen. Unser nächtlicher Verdauungsspaziergang führt uns zur ehemaligen Wohnung von Dina, unserer Mitarbeiterin in Jena. Welch eigenwilliges Gefühl. Sie ist in Deutschland. Wir stehen hier. Quasi in ihrem früheren Leben, um ihr davon zu berichten, dass aus ihrer Wohnung nun ein modernes Restaurant geworden ist. Wir machen Fotos zur Erinnerung und spüren trotz allem Veränderten noch einen Hauch der alten Tage.

 

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