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Pastellkreidetag / Day of pastel chalk

08.09.2015 Foping / China / N33°25’12.4“ E107°58’26.9“

Frau Holle hat ihre Laken heute extrem tief gehängt. Und tropfen tun sie auch. Wahrscheinlich ist ihre Schleuder kaputt. Zum Greifen nah, kann ich die Wolken küssen und mich darin verstecken. So bin ich für einen Moment weg und nicht im Sichtfeld der um uns herum Stehenden. Auch mal schön. Halten wir irgendwo an, sind wir Sekunden später von einer Menschentraube umgeben. Wo die alle so schnell her kommen weiß ich nicht. Sie scheinen irgendwo anders ihr Wolkenversteck zu haben. Manchmal laufe ich einfach an unserem Leo vorbei, tue so als gehörte ich nicht dazu. Auf diese Weise ziehe ich die Aufmerksamkeit nicht auf mich, kann zusehen was am Leo vor sich geht und mich trotzdem ungehindert bewegen. Wie an einer prall und gut gewachsenen Weintraube, die voll von einzelnen roten Kullern hängt, stehen die Menschen dicht an dicht um Jamies VW Bus und unseren Leo. Hier sind es viele Menschen, in unserer kleinen Gruppe, die gemeinsam durch China reist, müssen wir heute hingegen Zwei verabschieden. Sie haben sich entschieden die Tour durch China an dieser Stelle zu beenden und dem Abenteuer, durch dieses Land zu reisen, einen Schlusspunkt zu setzen. Ein Teil in mir kann diesen Entschluss sehr gut verstehen. Manchmal ist es wichtig auch scheinbar unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Dann ist es einem wieder möglich voran zu gehen. Man wird wieder Herr im eigenen Kopf, ohne getrieben und fremdgesteuert zu sein. Auf dass es beiden andernorts besser geht, wünsche ich ihnen von Herzen dass sie diesen für sich Ort finden!
Und was wird mit uns anderen? Aus acht Leuten sind nun sechs geworden. Lilian und Guido auf ihren Motorrädern, Jamie in seinem VW-Bus, Andi, unser Guide und wir zwei. Wir entscheiden, die weiteren Strecken zu entzerren, einiges einfach wegzulassen, um an anderen Stellen etwas mehr Zeit zum Ankommen zu haben. Wir wollen die Reise durch China alle miteinander mehr zu UNSERER machen, als dass es ein Hetzen durch die Lande ist. Wobei das Wort „Hetzen“ irre führt, so langsam wie wir voran kommen.
Ein Tag, gemalt wie mit Pastellkreide. Wir fahren durch Täler und Schluchten. Überwinden Gebirgszüge und durchqueren riesige Tunnel. Tunnel, so lang, als lebten wir in dieser zwanzig Kilometer Unterwelt. Unglaublich. Und davon nicht nur einer. Nein. Sie reihen sich aneinander und durchziehen das gesamte Gebiet der Berge südwestlich von Xian. Tauchen wir wieder in Tageslicht, ist sofort der Pastellkreide Maler am Werk. Wie auf chinesischen Gemälden sieht es um uns herum aus. Kleiner Hügel mit grazilem Bäumchen darauf. Auf das Feinste abgestuft die Farben der Grautöne. Verschnaufpausenaugenblicke für meine Seele. Frau Holles Waschtag setzt dem Licht heute schnell ein Ende. Die Müstik inmitten der Berge nimmt zu, das was wir sehen ab. Schlamm, Nebel, aufgewühlte Straßen, kaum Licht von unseren Scheinwerfern und Anstiege ohne jede Seitenbegrenzung lassen uns Halten. In einer Kurve beschließen wir die Nacht zu verbringen. Es ist ein kleiner Gebirgseinschnitt, in dem wir gerade so Platz finden. Gleich neben einer kleinen Hütte der Bergarbeiter. Grünen Tee brühen sie für uns auf. Wir setzen uns zu ihnen während es Draußen in Strömen regnet. Den Teller großen Motten macht das wenig aus. Auch die Heuschrecken und Grillen haben ihren Spaß. In dem kleinen Fernsehen läuft gerade die Übertragung einer großen Siegesparade in Tibets Lasa. Parolen werden gerufen, Reden geschwungen vor Tausenden von Menschen. Der Maler hat seine Pastellkreide inzwischen eingepackt. Die wird sonst einfach nass.
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Kommentare

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    Hallo Ihr beiden
    Ich hänge gerade mal wieder an euren Reiseberichten und wollte euch einfach mal sagen, wie oft ich an euch beide Denke und wie gerne ich mit euch zusammen an einem abendlichen Lagerfeuer sitzen würde. 🙂
    Was ich aber immer noch nicht weiß und was mich sehr beschäftigt ist: Wie geht es Stens Blinddarm? Ist alles gut? (Ich hoffe es inständig.)
    Ansonsten, genießt was es zu genießen gibt und nehmt auch weiterhin den wie schreibt elke so schön:“ Flow Modus aus dem Rucksack“ 🙂
    Ich freu mich schon auf ein Wiedersehen mit euch!
    Egal wann uns egal wo.
    Euer Uwe


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