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Geschmacksknospenwiese / Taste buds meadow

02.12.2015 Khanom / Thailand / N09°08’09.6“ E099°52’38.2“

Der Wecker klingelt. Der Wecker klingelt? Ja, er klingelt. Es ist sieben Uhr. Wir sind verabredet.
Ein wunderschöner Morgen. Die Sonne lugt zwischen Bambus und Palmen hervor. Das Meer rauscht in seiner gleichmäßigen Art, als täte es nie anderes. Welle für Welle wirft sich auf den Sand, gleitet elegant über den Strand, in dem scheinbaren Wunsch, es ein klein wenig weiter nach vorn zu schaffen, als die vorangegangene Welle. Ist etwas dran am Mythos, dass jede siebte Welle höher anschwillt als die davor und danach kommenden? Ich versuche es zu beobachten. Zähle, schaue, verliere mich darin. Und kann es doch nicht wirklich sagen. Ich glaube, den Wellen ist es egal, ob es mal die Sechste oder Zweite ist, die das Rennen macht. Es ist ein Spiel. Kein Zehnkampf. Nur wir Menschen haben immer diesen Wettbewerbsgedanken in uns. Viele Jahre meines Lebens habe ich in meiner Jugend mit „Wettkämpfen“ zugebracht. Viele Medaillen haben sie mir eingebracht. Doch das Schöne für mich war eigentlich nicht das Gewinnen, sondern das Zusammensein mit den anderen Leuten aus meiner Trainingsgruppe. Ich nehme mal dieses Bild und übertrage es auf die Wellen. Sie haben einfach Freude daran, beieinander zu sein. Nicht mehr und nicht weniger.
Mittwoch. Sieben Uhr am Morgen. Marktzeit. Beieinander sind sie auch hier. Sitzen unter lang aufragenden Palmenstämmen, die sich knarzend im Wind biegen. Oma mit Tochter, Mutter mit Sohn, Mann mit Frau. Sie alle haben etwas zu verkaufen. Ich wechsele immerzu hin und her. Mal habe ich die ganze Szenerie im Blick. Sehe den großen Sandplatz vor mir. Darauf rote, grüne und blaue Sonnenschirme verteilt. Darunter wackelige Holzgestelle, auf denen die Frauen und Männer mit verschränkten Beinen sitzen. Gehe dann mit meinem Blick näher heran. Sehe die vor den Beinen ausgebreiteten Pülverchen, Döschen, Kakerlaken- Fallen, Gemüsewurzeln, Grünzeuge, Rattengiftkugeln, Obststücken oder sonst etwas. Oft liegt das Gemüse auf dem Boden ausgebreitet. Darauf wartend, in Einkaufstaschen zu wandern. Massenhaft Töpfe und Schüsseln sind über den Marktplatz verteilt. Darin alle nur denkbaren Sorten an Chili- und Curry-Pasten, Suppen, Reisnudeln und viele kleine Näpfchen, aus denen sich die Leute bedienen. Um ihrer sowieso schon höllisch scharfen Speise noch ein wenig mehr Würze zu verleihen. Palmzucker sehe ich heute zum ersten Mal in meinem Leben. Aus den Blütenständen einer bestimmten Palmenart wird er gewonnen. Sie ist buschiger als die Kokospalme. Wohl auch nicht so hoch. Ein wenig wie „ungekämmt“ und „strubbelig“ sieht sie aus. Der Saft enthält 15% Zucker. Er wird als Sirup eingedickt. Hier in Khanom wird er in kleinen Tüten verkauft. Wie milchiger Honig sieht er aus. Es gibt ihn auch in kristalliner Form. Doch das scheint nicht unbedingt die Thailändische Art zu sein. Ist er trocken, wir er hier in Taler- oder Kleckerburg-Form verkauft.
Ich laufe an abgezogenen rohen Froschkörpern vorbei, an Schweineköpfen, Fischschwänzen, Phönix-Füßen, Shrimps-Törtchen mit Fühlern und Panzern. In meinem Kopf schwirrt und summt es. Mein Magen springt mal an vor freudigem Appetit, mal krümmt er sich im Vorbehalt.
Dagmar lebt seit mehr als zehn Jahren hier. Wir trafen sie im Resort. Sie kennt sie alle. Die getrockneten Fischkräcker zum Bier, die gallertartigen Mehltörtchen zum Tee, die Pasten zum Marinieren von Fleisch und Fisch. Früchte, die aussehen als seien es Birnen aber Guaven sind. Andere die wiederum aussehen wie Kartoffeln, aber nach Birne schmecken. Dagmar ist Deutsche und spricht Thai. Schwatzt mit den Marktfrauen, fragt nach, probiert selbst. Sie führt uns umher. Von Duft zu Geruch. Von Heilcreme zu Tintenfisch. Ich höre zu, erinnere Gesehenes, lerne neu, entdecke, koste. Lache den Leuten zu. Sie lachen zurück. Ausländer wie uns gibt es hier wenige. Khanom ist ein herrlich sich selbst überlassener Ort. Ich wünschte, er bliebe es.
Achim, Dagmars Mann, hat aufgetischt. Unter all den Leckereien fand er das Beste für uns heraus. Probierhäppchen-Frühstück. Wir wickeln aus, spießen auf, pellen heraus, knacken ab, puhlen drum herum. Meine Geschmacksknospen sprießen. Wie auf einer Wiese voller Frühblüher. Frühling in meinem Mund. Sommer in meinem Bauch.
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