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Ameisenvolk / Ant people

16.09.2015 Xiqu / China / N26°37’28.6“ E101°28’35.3“

Im „Knick“ zu Myanmar und Indien liegt die Region „Sichuan“. Ein in der Vergangenheit von Königreichen durchzogenes Land. Mit der Zentralgewalt lagen diese oft im Clinch bis sie im 3. Jahrhundert v. Chr. zum Zentrum des „Qin-Reiches“ ernannt wurden. Eines der späteren Königreiche nannte sich „Shu“ und ist noch heute Namensgeber für die Region.
Vom „Min“ Fluss ist das Land durchzogen, dessen zweitausend Jahre alte Bewässerungsanlage die Menschen hier noch heute vor Überflutungen schützt und das Gebiet so fruchtbar macht.
1975, nachdem, auf Grund von politischen Fehlentscheidungen, eine große Hungersnot ein Zehntel der gesamten Bevölkerung Sichuans sterben lies, rief der Gouverneur und 1. Sekretär der Kommunistischen Partei der Provinz, Zhao Ziyang, marktwirtschaftliche Reformen aus. „Verantwortungssystem“ nannte er es. Er wies jedem Bauern eigenes Land zu mit der Maßgabe, einen Teil der Ernte an den Staat zu verkaufen. Das erfolgreiche Projekt wurde zum nationalen Vorbild erhoben und auf das gesamte Land ausgeweitet. Zehn Prozent aller landwirtschaftlichen Produkte Chinas kommen noch heute aus der Region „Sichuan“.
Wie ein Flickenteppich liegen die aneinander gestückelten Klein- und Kleinstfelder aneinander. Terrassen durchziehen das bergige Land und lassen selbst Bananenstauden in eintausend Fünfhundert Meter Höhe gedeihen. In noch so steile Abhänge hat das Volk der Ameisen Ebenen geschlagen, um dem Berg ein weiteres Stück zu kultivierenden Boden abzugewinnen. Schaue ich auf das zerklüftete Land, würde ich sagen: „Da ist nichts zu machen. Das ist ne Bergregion und basta.“. Doch genau da scheinen die Chinesen ihre Stärke zu haben. Geht es ums Unmögliche, sind sie in Massen zur Stelle und machen irgend etwas. Ich stelle mir gerade vor, wie das Land aussah, bevor Tausende Menschen daran Hand anlegten. Eine verschlafene, in sich ruhende Gegend, die es liebte für sich zu sein. Denn Zugänge zu offenbaren schien nicht die Idee der Landschaft. Dann kamen sie zu Hauf, die Chinesen. Wuselten herum, einem Ameisenvolk gleich. Und als sie wieder gingen durchzogen Hochstraßen und angelegte Felder die Berge. Der Plan des Gebirges war DAS mit Sicherheit nicht. Doch das kümmert die Chinesen wenig. Sie trotzen ihrem Land ab was nur irgend geht. Vielleicht sind wir Deutschen in unserem Urwesen einfach faul? Weil es bei uns immer um Effizienz geht, irgendetwas zu vereinfachen, zu automatisieren, abzukürzen, gleichzeitig zu tun. Um dann entspannt mit nem Weinglas und hochgelegten Beinen dem Sonnenuntergang entgegen zu blicken. Ein mir sehr sympathischer Gedanke! Im Gegensatz wird in China alles mit Masse gemacht. Vereinfachung scheint nicht der Maßstab zu sein. Menschenmengen sind vorhanden. Und kann irgendjemand mal nicht mehr, sind gleich zehn weiter Chinesen zur Stelle, die den Job haben wollen. Ein hartes System, nicht unbedingt für Menschen gemacht. Alle meine humanistischen Gedanken, Werte, Grundsätze und Eckpfeiler wirbeln in meinem Kopf herum. Alles eckt an allem an. Hier, für mich, in China.
Wir fühlen uns tatsächlich ameisenklein in dieser so gigantisch großen Landschaft. Die Berge scheinen, mit ihren dicken Bäuchen wackelnd, schallend zu lachen. Wenn eine von den Ameisen sich mal wieder zu wichtig nimmt. Sie sind es, die hier das Sagen haben. Im Jahr 2008 hat das die Region auf das Schmerzlichste zu spüren bekommen. Als ein Erdbeben achtundachtzigtausend Menschen das Leben kostete, und Millionen verletzt und obdachlos wurden.
Während ich am Abend, nach einem selbstgekochten chinesischen Mahl an meinem Rotwein nippe, drängt es mich zu denken: „Lasst uns einfach gut miteinander umgehen. Wir alle wissen nicht was morgen kommt. Die emsigen Ameisen nicht und die nach Effizienz Strebenden ebenso wenig.“
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